ZK2 2017 68 - Widerspruchsklage, Pfändung des Genossennutzens
Beschluss vom 19. Dezember 2017
ZK2 2017 68
Mitwirkend
Kantonsgerichtspräsident Dr. Urs Tschümperlin,
Kantonsrichterinnen Dr. Veronika Bürgler Trutmann und Bettina Krienbühl,
a.o. Gerichtsschreiber MLaw Alessandro Glogg.
In Sachen
A.__,
Klägerin und Beschwerdeführerin,
vertreten durch B.__,
gegen
Bezirk March, Bahnhofplatz 3, 8853 Lachen,
Beklagter und Beschwerdegegner,
vertreten durch Staatsanwalt D.__,
betreffend
Widerspruchsklage, Pfändung des Genossennutzens
(Beschwerde gegen das Urteil des Einzelrichters am Bezirksgericht March vom 7. Juli 2017, ZEV 2017 21);-
hat die 2. Zivilkammer,
nachdem sich ergeben und in Erwägung:
1. a) Der Betreibungskreis Altendorf Lachen pfändete am 9. Juli 2015 in der Betreibung Nr. xx den Nutzen von E.__ (nachfolgend Schuldner) bei der Genossame Lachen für das Jahr 2015. Dieser wurde gestützt auf den Genossamennutzen des Jahres 2014 auf Fr. 9‘500.00 geschätzt (Viact. BB 1). A.__ machte einen Drittanspruch auf den Genossamennutzen geltend, der in der Pfändungsurkunde vermerkt wurde. Der Drittanspruch soll auf einer Zession des Genossamennutzens für die Abzahlung der Mietschulden des Schuldners an sie basieren (Viact. KB 1 und 2). Der Bezirk March bestritt diesen Drittanspruch mit Schreiben vom 25. August 2015 vollumfänglich (Viact. BB 2). Darauf forderte der Betreibungskreis Altendorf Lachen A.__ mit Fristansetzung gemäss Art. 107 Abs. 5 SchKG auf, Klage beim zuständigen Gericht zu erheben (Beilage zu Viact. C/2).
b) Am 25. September 2015 reichte A.__ (nachfolgend Klägerin) innert Frist „Beschwerde“ beim Bezirksgericht March ein. Mit Klageantwort vom 19. November 2015 beantragte der Bezirk March (nachfolgend Beklagter), auf die Klage sei nicht einzutreten und eventualiter abzuweisen. Die Prozesskosten seien der Klägerin aufzuerlegen (Viact. A/2). Mit Urteil vom 16. März 2016 hiess der Einzelrichter am Bezirksgericht March die Klage gut. Er stellte fest, in der Betreibung Nr. xx bestehe der Drittanspruch der Klägerin am gepfändeten Genossennutzen für das Jahr 2015 (Viact. A/3).
c) Gegen das Urteil vom 16. März 2016 erhob der Beklagte am 18. April 2016 Beschwerde am Kantonsgericht (Viact. A/5). Das Kantonsgericht hiess die Beschwerde gut, hob das Urteil auf und wies es zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück (Viact. A/8).
d) Mit Urteil vom 7. Juli 2017 wies der Einzelrichter am Bezirksgericht March die Klage ab (Viact. 1, ZEV 17 21). Es erwog, dass der Beklagte mit seiner einredeweise geltend gemachten Überschuldungsund Absichtsanfechtung nach Art. 287 und 288 SchKG durchzudringen vermöge. Die Voraussetzungen einer Schenkungsanfechtung seien hingegen nicht gegeben. Die Vorinstanz entschied, der Genossennutzen des Schuldners für das Jahr 2015 sei zu seinem Vermögen zu zählen und die Widerspruchsklage somit abzuweisen.
e) Gegen das Urteil des Einzelrichters am Bezirksgericht March vom 7. Juli 2017 erhob die Klägerin mit Eingabe vom 5. August 2017 (Postaufgabe: 9. August 2017) Beschwerde (KGact. 1). Sie beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei „abzuweisen“. Die Klägerin führt aus, der Genossamennutzen des Schuldners sei bei der Berechnung seiner Ergänzungsleistung zur IV-Rente berücksichtigt worden. Aus diesem Grund sei der Genossamennutzen ein Bestandteil der Sozialleistungen und somit im Sinne von Art. 92 Abs. 1 Ziff. 8 SchKG unpfändbar. Mit Beschwerdeantwort vom 21. September 2017 beantragt der Beklagte, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne sowie die Kosten der Klägerin aufzuerlegen (KGact. 9). Er macht geltend, die Klägerin sei als Drittansprecherin nicht legitimiert, die Pfändung anzufechten. Dies hätte der Schuldner innert Frist mit Aufsichtsbeschwerde nach Art. 17 SchKG machen müssen, was nicht geschehen sei. Weiter bestreitet der Beklagte, dass es sich beim Genossennutzen um unpfändbare Vermögenswerte nach Art. 92 Abs. 1 Ziff. 8 SchKG handle. Ausserdem habe die Klägerin nicht belegt, dass der Genossamennutzen bei der „Bewertung allfälliger Ergänzungsleistungen zur IV-Rente“ des Schuldners berücksichtigt wurde.
2. Die Klägerin bringt in ihrer Beschwerde vor, der Genossamennutzen sei gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 8 SchKG unpfändbar. Auf die Ausführungen der Vorinstanz, wonach die Anfechtungstatbestände nach Art. 287 f. SchKG gegeben seien, geht sie nicht ein. Sie bringt nicht vor, dass die diesbezügliche Ansicht der Vorinstanz falsch sein soll. Im Beschwerdeverfahren gilt das Rügeprinzip. Was nicht gerügt wird, hat Bestand (Kantonsgericht Schwyz, Beschluss vom 13. April 2016 BEK 2016 10 E. 7.b; Verfügung vom 6. Februar 2012 BEK 2011 104 E. 3.a). Das Vorliegen anfechtbarer Handlungen i.S.v. Art. 287 f. SchKG ist im Berufungsverfahren somit nicht umstritten, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.
3. a) Der Schuldner hat die Unpfändbarkeit von Vermögenswerten innert zehn Tagen seit der Pfändung bzw. seit Erhalt der Pfändungsurkunde mit Aufsichtsbeschwerde nach Art. 17 SchKG anzufechten. Erhebt der Schuldner die Beschwerde nicht innert Frist, wird ein Verzicht auf die Unpfändbarkeitseinrede angenommen (Kren Kostkiewicz, in: Hunkeler [Hrsg.], Kurzkommentar SchKG, 2. A., Basel 2014, N 13 zu Art. 92 SchKG). Mit Ablauf der Frist von zehn Tagen verwirkt das Recht auf Anfechtung der Verfügung (Dieth/Wohl, in: Hunkeler [Hrsg.], a.a.O., N 1 zu Art. 22 SchKG). Ist die Verfügung nichtig, gilt dies nicht. Die Nichtigkeit kann und muss jederzeit von Amtes wegen festgestellt werden (BGE 121 III 142 E. 2).
b) Der Betreibungskreis Altendorf Lachen pfändete den Genossamennutzen des Schuldners am 9. Juli 2015 (Viact. BB 1, ZEV 15 47). Der Schuldner focht die Pfändung nicht an. Die Frist von zehn Tagen für die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde verstrich damit unbenutzt. Somit ist die Pfändung des Genossamennutzens nicht mehr anfechtbar, weshalb sie nur noch auf Nichtigkeit überprüft werden kann. Nichtigkeit ist von Amtes wegen in allen Verfahren zu beachten. Daher kann offengelassen werden, ob die Klägerin zur Anfechtung der Pfändung überhaupt aktivlegitimiert ist.
4. a) Werden Vermögenswerte i.S.v. Art. 92 Abs. 1 Ziff. 7-10 SchKG gepfändet, liegt Nichtigkeit vor (BGE 130 III 400 E. 3.2). Nach Art. 92 Abs. 1 Ziff. 8 SchKG sind Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Krankenund Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten unpfändbar. Erfasst werden die Fürsorgeleistungen der Kantone und Gemeinden. Darunter fallen nicht nur die von den öffentlichen Fürsorgebehörden erbrachten Sozialhilfeleistungen, sondern auch die in Ergänzung zu den Leistungen der AHV/IV/EO erbrachten zusätzlichen Unterhaltsleistungen. Zu den Unterstützungsleistungen von Seiten der Hilfs-, Krankenund Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten muss es sich um einmalige zeitlich auf besondere Fälle begrenzte Leistungen handeln, im Gegensatz zu den von diesen Kassen statutengemäss auszurichtenden regelmässigen Leistungen, welche nach Art. 93 SchKG beschränkt pfändbar sind (Vonder Mühll, in: Staehelin/Bauer/Staehelin [Hrsg.], Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, Basler Kommentar, Art. 1-158 SchKG, 2. A., Basel 2010, N 30 zu Art. 92 SchKG).
Gemäss Bestimmung Ziff. I.2 der Statuten der Genossame Lachen, liegt der Zweck der Genossame in der Erhaltung, Verwaltung und Nutzung des Vermögens im Interesse der Mitglieder (Statuten der Genossame Lachen:
[besucht am 13. Dezember 2017]). Die Genossame Lachen erbringt keine Fürsorgeoder Unterstützungsleistungen und stellt somit keine Einrichtung nach Art. 92 Abs. 1 Ziff. 8 SchKG dar. Der Genossennutzen, welcher der Schuldner erhält, stellt damit keinen unpfändbaren Vermögenswert i.S.v. Art. 92 Abs. 1 Ziff. 8 SchKG dar.
b) Die Renten nach Art. 20 AHVG und Art. 50 IVG, die Ergänzungsleistungen nach Art. 12 ELG und die Leistungen der Familienausgleichskassen sind nach Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG unpfändbar. Dies in Durchbrechung des Grundsatzes, wonach Leistungen von Sozialversicherungen grundsätzlich nach Art. 93 SchKG beschränkt pfändbar sind. Gewisse Renten und Leistungen der 1. Säule, die keinen Erwerbsausfall abgelten sollen, sind damit unpfändbar. Ziel der in Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG genannten Leistungen ist es, die Lebensbedürfnisse zu decken (Vonder Mühll, in: Stähelin/Bauer/Stähelin, a.a.O., N 37 zu Art. 92 SchKG). Die Ausnahmen sind restriktiv auszulegen und sollen durch die Rechtsprechung nicht erweitert werden (BGE 134 III 608 E. 2.3). Unpfändbare Renten der ersten Säule sind bei der Berechnung der pfändbaren Einkommensquote zum Einkommen hinzuzurechnen. Lediglich die Rente selbst ist unpfändbar und damit von Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG erfasst (BGE 104 III 38 E. 1).
Die Behauptung der Klägerin, der Genossamennutzen sei Teil der Sozialleistung, weil er bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen zur IV-Rente mitberücksichtigt worden sei, trifft somit nicht zu. Nur die in Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG bestimmten Leistungen und Renten der 1. Säule sind unpfändbar. Der Genossamennutzen ist ein den Mitgliedern der Genossame zustehender Teil des erwirtschafteten Ertrags derselben. Die Deckung der Lebensbedürfnisse ist daher nicht das Ziel dieses Nutzens. Damit stellt der Genossamennutzen keine Rente nach Art. 20 AHVG, Art. 50 IVG Art. 12 ELG dar. Es liegt kein unpfändbarer Vermögenswert nach Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG vor. Die Pfändung des Genossamennutzens des Schuldners ist somit nicht nichtig.
5. Die Beschwerde ist abzuweisen. Ausgangsgemäss hat die Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Einen Antrag auf Parteientschädigung stellte der Beklagte zu Recht nicht (BGer, Urteil 5D_229/2011 vom 16. April 2012 E. 3.3);-
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1‘000.00 werden der Klägerin auferlegt und von ihrem Kostenvorschuss in gleicher Höhe bezogen.
3. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung nach Art. 113 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) Verfassungsbeschwerde beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden; vorbehalten bleibt die Geltendmachung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung mit Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 72 ff. BGG, die in der gleichen Rechtsschrift bzw. bei alleiniger Einlegung innert derselben Frist einzureichen ist. Die Beschwerdeschrift muss Art. 42 BGG entsprechen. Der Streitwert beträgt Fr. 9‘500.00.
4. Zufertigung an B.__ (2/R), Staatsanwalt D.__ (2/R), an die Vorinstanz (1/A) sowie nach definitiver Erledigung an die Vorinstanz (1/R, mit den Akten) und die Kantonsgerichtskasse (1/ü, im Dispositiv).
Namens der 2. Zivilkammer
Der Kantonsgerichtspräsident
Der a.o. Gerichtsschreiber
Versand
20. Dezember 2017 kau